Markenidentität 2025: superwichtig oder kann das weg?
Markenidentität ist auch im Jahr 2025 alles andere als ein überholtes Konzept. Nur zeigt sie sich heute anders als noch vor zehn oder zwanzig Jahren.
Früher war es vor allem das Logo, die Farbpalette und eine klar definierte Hausschrift, die als visuelle Konstanten den Wiedererkennungswert einer Marke garantieren sollten. Heute ist es komplexer: Identität lebt nicht mehr allein im Corporate-Design-Manual, sondern in den Erfahrungen, die Menschen mit Marken machen – von der App über die Website bis hin zur Tonalität einer KI-gestützten Kundeninteraktion.
Nehmen Konsumentinnen und Konsumenten klassische Bestandteile wie Farben, Logos oder Schriften überhaupt noch wahr?
Die Antwort ist ein vorsichtiges Ja, aber nicht in jedem Fall. Studien, unter anderem von Ipsos und dem Ehrenberg-Bass-Institut, zeigen, dass nur ein Bruchteil der eingesetzten Logos oder Farbwelten wirklich als „Distinctive Brand Asset“ durchgeht, also als unverwechselbares Markenzeichen. In einer globalen Untersuchung konnten gerade einmal 15 Prozent der geprüften Assets eindeutig einer Marke zugeordnet werden. Mit anderen Worten: Die meisten Signale, die Marken senden, gehen im Grundrauschen unter.
Ein Grund dafür ist die gestalterische Homogenisierung der letzten Jahre. Viele Logos sehen sich zum Verwechseln ähnlich: serifenlose Schriftzüge, reduzierte Farben, vereinfachte Formen. Kritiker sprechen vom „Blanding“ – einer Art visuellem Einheitsbrei. Medien wie The Guardian oder Fast Company haben diesen Trend ausführlich analysiert. Das Ergebnis ist ernüchternd: Wo alles gleich aussieht, fällt es schwer, sich zu unterscheiden. Die Gefahr liegt darin, dass Investitionen in Design und Kommunikation zwar kurzfristig einen modernen Eindruck schaffen, langfristig aber keinen bleibenden Markencode hinterlassen.
Das Logo bleibt ein zentraler Anker.
Auch in Zeiten von TikTok, Reels und KI-Avataren ist es das Symbol, das auf Verpackungen, in Apps und an Gebäuden Orientierung bietet. Wichtig ist jedoch nicht allein das Logo an sich, sondern seine konsequente Verwendung. Untersuchungen der Nielsen Norman Group zeigen beispielsweise, dass Nutzer Logos oben links auf einer Website signifikant schneller wiederfinden und die Marke besser zuordnen können als bei einer mittigen Platzierung. Das klingt trivial, macht aber deutlich, wie sehr Konsistenz für Wiedererkennung sorgt. Wer ständig an Logos, Farbregeln oder Positionierungen schraubt, riskiert, genau diesen Wiedererkennungseffekt zu schwächen.
Die multidimensionale Markenidentität ist die Ankerkette.
Interessant ist, dass sich Markenidentität längst nicht mehr nur auf visuelle Mittel beschränkt. Immer wichtiger werden akustische Signaturen und Bewegungsmuster. Ein kurzes Jingle, eine bestimmte Tonfolge oder ein markanter Übergang in einer Videoanimation wirken heute als Signal genauso stark wie ein Logo. In einer Welt, in der Inhalte auf dem Smartphone oft nur drei Sekunden Aufmerksamkeit bekommen, zählt genau diese Art von Wiedererkennung. Ipsos bezeichnet solche Codes als Treiber kreativer Effektivität.
Markenidentität ist heute nicht nur ein ästhetisches oder gestalterisches Thema. Sie wird zunehmend zur Frage der Erfahrung.
Eine App, die klar strukturiert, intuitiv und sympathisch wirkt, verankert die Marke stärker als ein perfekt ausbalancierter Farbton. Ebenso prägt der Tonfall einer Fehlermeldung oder die Art, wie eine Rückerstattung kommuniziert wird, die Wahrnehmung einer Marke. Das führt zu einem Perspektivwechsel: Identität bedeutet nicht länger nur Konsistenz auf Papier, sondern Konsistenz in Interaktionen.
Besonders spannend ist, wie stark „Vertrauen“ heute Teil dieser Identität geworden ist.
Laut dem Edelman Trust Barometer 2025 steht Vertrauen mittlerweile gleichauf mit Preis und Qualität, wenn es um Kaufentscheidungen geht. Für Konsumenten zählt weniger der große gesellschaftliche „Purpose“ einer Marke, sondern der konkrete Nutzen und die Ehrlichkeit im Alltag. Wie leicht lassen sich Abos kündigen? Wie transparent ist die Datennutzung? Welche Garantien gibt die Marke? All diese Punkte sind inzwischen zentrale Elemente des Markenbildes. Und sie entscheiden, ob Menschen eine Marke nicht nur kennen, sondern auch kaufen und weiterempfehlen.
Zugleich zeigt sich der finanzielle Wert starker Markenidentität.
Die jährlichen Analysen von Kantar BrandZ machen deutlich, dass Unternehmen mit starker Markenführung langfristig besser performen als der Gesamtmarkt. Über zwanzig Jahre betrachtet haben die wertvollsten Markenindizes den S&P 500 und den MSCI World Index deutlich übertroffen. Diese Zahlen belegen, dass Investitionen in Markenarbeit keineswegs nur eine kreative Spielerei sind, sondern sich auch in wirtschaftlicher Robustheit auszahlen.
Die größte Herausforderung besteht darin, den Spagat zwischen Konsistenz und Lebendigkeit zu meistern. Marken müssen wiedererkennbare Codes pflegen – etwa Farben, Bewegungsmuster oder Klangsignaturen – und sie konsequent einsetzen. Gleichzeitig dürfen sie nicht in einer starren CI erstarren, die kaum Raum für zeitgemäße Anpassungen lässt. Erfolgreiche Marken schaffen es, ein System aufzubauen, das Spielräume ermöglicht, ohne die Erkennbarkeit zu verwässern. Ein gutes Beispiel ist die Arbeit mit kontrollierter Variabilität: eine Kernpalette, die saisonal erweitert werden kann, oder eine feste Audio-Signatur, die in Tempo oder Instrumentierung leicht variiert.
Und dann ist da noch die Rolle der Künstlichen Intelligenz.
Immer häufiger interagieren Kundinnen und Kunden nicht mehr mit Menschen, sondern mit Markenbots oder generativen Assistenten. Hier zeigt sich Identität in einer neuen Dimension: Wie klingt die Marke, wenn ein Chatbot antwortet? Welche Wortwahl nutzt er, wie transparent geht er mit Fehlern um, wie leitet er an einen Menschen weiter? Solche Details sind keine technische Nebensache, sondern prägen zunehmend das Bild einer Marke. In gewisser Weise wird „Brand“ damit zur Schnittstelle, die im Dialog spürbar wird.
Abschließend lässt sich festhalten: Markenidentität ist 2025 nicht weniger wichtig als früher. Doch sie ist vielschichtiger geworden.
Menschen nehmen Logos, Farben und Schriften durchaus wahr, aber nur, wenn diese klar, konsequent und unverwechselbar eingesetzt werden. Gleichzeitig entscheidet sich Identität heute stärker in Erlebnissen, in Vertrauen und in der Art, wie Marken mit neuen Technologien umgehen. Wer es schafft, aus all diesen Bausteinen ein lebendiges, unterscheidbares System zu formen, gewinnt nicht nur Aufmerksamkeit, sondern auch Resilienz und wirtschaftlichen Wert.
Quellen
- Ipsos/JKR: Nur 15 % der getesteten Brand Assets sind wirklich distinctive; viele Slogans verfehlen klare Zuordnung. bedistinctive.jkrglobal.comwarc.com
- Ehrenberg-Bass (A-Z of Better Brand Health Tracking): Methodik & Bedeutung von Distinctive Brand Assets für mentale Verfügbarkeit. marketingscience.info
- NN/g (Nielsen Norman Group): Logo-Platzierung oben links steigert Orientierung & Wiedererkennung gegenüber zentrierter Platzierung. Cieden
- Edelman Trust Barometer 2025 (Special Report „Brand Trust, From We to Me“; 2024 „Brands & Politics“): Vertrauen als Kaufhebel; 60 % politisch motiviertes Kauf-/Meidungsverhalten (2024). edelman.com+2edelman.com+2
- Kantar BrandZ 2024/2025: Starke Markenportfolios übertreffen S&P 500/MSCI langfristig; 2024 +20 % Top-100 Wert. Kantar+1
- „Blanding“-Diskurs (Fast Company, The Guardian, The Verge): Trend zur Homogenisierung moderner Rebrands. Emeraldmarketingbrew.com
- Farbwahrnehmung & Mythen: Farbe kann Gedächtnis/Erkennung fördern, aber pauschale „+80 %“-Claims sind zweifelhaft. PMCinsights4print.ceo
- Ipsos: Distinctive Assets als Treiber kreativer Effektivität; Bedeutung von Audio/Motion in fragmentierten Umfeldern. Ipsos